Sonntag, 28. April 2013

Promises




Every single day I walk down to the harbor and stare at the ocean.

"I will come back", you promised.
"I'll wait for you", I said.

Will you keep your promise like I keep mine? Maybe, I'll never know.

                          (c) Iris Kudelko

Freitag, 26. April 2013

What I See























It's just an old bucket in the sand, you say.
It's a whole story lying down there, I reply. 

Donnerstag, 25. April 2013

Behind the window



Here I am. Living on the edge.

Every day I watch the trains passing by. Trains filled with people, filled with life. Filled with laughter, happiness, hope, sorrows, illness, grief.

They come and go. Eight times a day. Minutes become hours. Hours become days.

I'm no longer part of it. My life is almost done.

Solely watching this daily motion makes my own life's stagnation bearable.

New ways


Sometimes, the end of the line gives us the chance
to jump off the train and walk our own direction.    
Life is never straight.     
Keep on walking

                                      (c) Iris Kudelko




Mittwoch, 24. April 2013

Fühlen Sie sich wie zuhause



20:30 Uhr. Es ist wieder einer dieser Tage, an denen ich früh das Haus verlassen habe, um die lange Anfahrt zum Kunden bereits im Morgengrauen zu bewältigen. Während dieser noch schläft, habe ich bereits 150 Kilometer hinter mich gebracht. 

Aber ich beschwere mich nicht. Ich liebe es, in den Tag hinein zu fahren, die Gedanken schweifen zu lassen und den Sonnenaufgang zu betrachten. Im besten Fall erwische ich gerade dann einen Stau, wenn der Himmel am schönsten ist. Dann greife ich neben mich auf den Beifahrersitz, nehme meine Kamera und mache ein paar Fotos. Das hat mir schon so manchen frühen Start erhellt.

Heute nicht. Heute ist es wieder grau, so wie die letzten acht Wochen. Es ist eigentlich immer nur noch grau. Alles ist grau. Meine Innenausstattung ist grau, die Sitze sind grau , mein Anzug ist grau, meine Pumps sind...schwarz - selbst meine Haare zeigten schon einen Anflug von Grau, bis ich gestern es dank chemischer Innovationen der Kosmetikbranche eliminiert habe. Ich frage mich dabei immer, was schädlicher ist. Die Farbe auf der Kopfhaut oder die Ammoniakwolke, in der man sich während des Färbevorgangs bewegt. Aber die intensiven Dämpfe des Ammoniaks blockieren derartig tiefgründige Gedanken schnell. Man denkt einfach nicht mehr. 

Nun ist es schon wieder dunkel. Ganz dunkel. Ich habe noch 40 Kilometer bis zu meinem Hotel und kann es nicht erwarten, diesen Tag entspannt zu beenden. Ich habe wieder ein Hotel mit Sauna gebucht, welche in einer guten Stunde schließen wird. Dies bedeutet, dass ich wieder vor der schwierigen Entscheidung stehen werde, ob ich noch etwas essen oder lieber hungrig in die Sauna gehe. Früher habe ich mich über so etwas noch geärgert, heute nehme ich es so, wie es kommt. Ich freue mich einfach auf ein sauberes Zimmer, ein hoffentlich großes Bad und ein sehr gemütliches Bett. Wenn die Bar schön ist, denke ich, werde ich vor dem Schlafengehen vielleicht noch ein Bier trinken gehen. Aber eigentlich steht mir nur noch der Sinn nach Ruhe, Entspannung und Wohlfühlen.

Nachdem ich meinen Navi gefolgt bin und die nächste Abfahrt rechts genommen habe, erscheint vor mir ein großer grauer Betonklotz. Die leuchtend blaue Neonschrift auf dem Dach erleichtert mir zwar das Finden meines Nachtquartiers, macht den Klotz jedoch nicht unbedingt einladender. Gemütlich sieht anders aus, denke ich, während ich den Knopf der Parkschranke drücke. Eine freundliche Stimme ertönt und gewährt mir Einlass. Ich stelle das Auto ab, lasse meinen Kopf nach hinten gegen die Kopfstütze fallen, schließe für ein paar Sekunden die Augen und genieße den Moment des Ankommens.

Mit Sack und Pack betrete ich kurz darauf die Hotellobby, deren Neonbeleuchtung keinen Winkel im Verborgenen lässt. Geblendet kneife ich kurz die Augen zusammen. Es ist hell hier, zu hell für meinen Geschmack und einen müden Geist. Langsamen Schrittes und doch zielstrebig gehe ich auf die Rezeption zu. Eine freundliche junge Dame mit osteuropäischem Akzent begrüßt mich. " Wielkommen ien unsere Hotel. Wie ist ihr Name?“
Nach dreimaliger Wiederholung meinerseits und einer kurzen Suchphase hat mich auch der Computer gefunden. Und nun, als würden wir noch einmal ganz von vorne anfangen und hätten uns bis jetzt noch nicht gesehen, sieht sie zu mir auf und sagt “ Hallo Frau Kudelko. Schön, dass sie zu uns gefunden haben.“ Ja, das finde ich auch schön, denke ich mit einem Seufzen, das mir jetzt leise entfleucht. Eigentlich möchte ich jetzt wirklich nur meinen Schlüssel in Empfang nehmen, freue mich aber dennoch über den bemüht freundlichen zweifachen Empfang, bis mir die Frage nach meiner Kreditkarte und der Bitte um das Ausfüllen des Anmeldezettels klarmacht, dass auch hier, außer der Hergabe meiner gesamten Daten, nichts persönlich ist. Ich kann es schwer beschreiben, aber mein Wohlfühlfaktor sinkt schlagartig in die Tiefe. Nach der sachlichen Erläuterung von Frühstückszeiten und dem Fingerzeig auf den Aufzug mache ich mich endlich auf dem Weg nach oben.

Schon in der Aufzugskabine beschleicht mich das Gefühl, dass ich gerade meine Persönlichkeit am Check In abgegeben habe. Ich bin jetzt nur noch ein winziges Teilchen in diesem riesigen Komplex, welches müde und bepackt in seine Schlafzelle für 98 Euro kriecht.


Der Aufzug öffnet sich. Vor mir erstreckt sich ein endlos langer Gang mit vielen Türen. Ich muss hier meine Schlafzelle finden und hoffe, dass die Karte an der Tür auf Anhieb funktioniert.
Wie jedes Mal bei Ankunft plagt mich meine Blase und das nicht erst seit einer halben Stunde.

Im Zimmer angekommen, schmeiße ich alles von mir, außer den Mantel, denn dafür ist keine Zeit mehr, und inspiziere sitzend das Bad. An einem dieser Abende habe ich mir aus lauter Eile den Reißverschluss meiner Jeans zerrissen, erinnere ich mich. Jedes Mal dreht es sich um Sekunden. Heute habe ich es ohne Zerstörung meiner Garderobe geschafft. Ein kurzer Blick in den Spiegel verrät mir, wie müde ich tatsächlich bin und ich betrete mein Zimmer.


Dies ist immer der Moment, indem ich das erste Mal diesen sterilen, hygienischen und unpersönlichen Geruch von Hotelzimmern wahrnehme. Wenn ich eine ganz bestimmte Geruchsnote abziehe, riecht es nach Krankenkaus. Ich weiß nicht, was dem Geruch genau fehlt. Chlor oder Desinfektionsmittel. Irgendetwas in der Art, aber steril ist es auf jeden Fall.

An der Wand hängt eines dieser Bilder, dessen Aussagekraft in etwa der einer Alditüte gleicht. Dennoch sehe ich sie mir immer an. Sie sind alle unterschiedlich und doch gleich. Wie Fahrstuhlmusik. Ich könnte zehnmal vom Keller zur Dachterrasse fahren und hinterher dennoch nicht sagen, welche Musik ich dabei gehört habe.

Ich nehme das Stückchen Schokolade von meinem Kopfkissen, lege es zu den anderen als Blutzuckernotration in meine Handtasche und lasse mich auf das Bett fallen. Mit etwas Schwung, um zu sehen, ob ich morgen mit Rückenschmerzen aufwachen werde oder nicht. Es fühlt sich gut an. Aber in meinem Zustand würde sich wohl gerade jedes Bett gut anfühlen. Ich ziehe rechts und links das Kopfkissen an meine Ohren und sehe an die Decke, dann hinüber zum Fenster, wo ich draußen die roten Lichter eines Schornsteins in der Dunkelheit erblicke. Ich denke nicht, dass ein genauerer Blick aus dem Fenster mir ein erfreuliches Panorama bieten würde und bleibe liegen.

Nebenan summt noch die Lüftungsanlage im Badezimmer. Erfahrungsgemäß wird sie dies noch circa zehn Minuten tun. Ein Geräusch, was ich in meinem Bett liegend nur sehr ungern akzeptiere, weil es mir die Enge meiner Zelle immer so nahebringt.

Die Sauna schließt in 20 Minuten, ich habe Hunger, bin aber zu müde zum Essen. Unten in der Bar sitzen noch viele Leute, das habe ich bei meiner Ankunft gesehen. Ein Gedanke, der mich in meinem Ruhebedürfnis zu der Entscheidung bringt, den Rest des verbleibenden kurzen Abends in meinem Zimmer zu bleiben und in Kürze die Augen zu schließen. Sie brennen und tränen bereits. Ich schließe sie jetzt schon einmal für einen winzigen Moment. Und dann ist da wieder dieses Gefühl.

Ich fühle mich allein, kalt irgendwie, kann nicht entspannen und fühle mich nicht wohl in diesem Bett, das so neutral und unfreundlich riecht. Das ist nicht das Gefühl von Feierabend, nicht das Gefühl von Ankommen und Entspannung. Ich werde hier nur aufbewahrt, so fühlt es sich an. Alles um mich herum ist sauber, aufgeräumt, gerade und genau so eingerichtet, dass es keinen Grund zur Beschwerde geben kann. Aber wohlfühlen kann ich mich hier nicht.

Rechts neben mir im Nachbarzimmer läuft der Fernseher eines vermeintlich Schwerhörigen. Links neben mir versucht gerade jemand, seinen unaufhörlichen Hustenanfall lebend zu bewältigen. Ich wünsche ihm, dass er es schafft. Es klingt auf jeden Fall so, als hätte ich auf beiden Seiten Einzelpersonen als Nachbarn, was mich ein wenig beschwichtigt und ich atme kurz erleichtert auf bei dem Gedanken, dass mir heute eine lustvolle Gehörorgie mit großer Wahrscheinlichkeit erspart bleiben wird.

Auch, wenn es meist menschlich und vollkommen normal ist, hält es mich jedes Mal vom Einschlafen ab, weil ich bis zum Ende zuhören muss. Es ist wie bei einem Krimi. Den kann man auch nicht kurz vor Schluss ausschalten und schlafen gehen. Also, ich kann das nicht. Besonders schlimm ist es, wenn das Ende für den geneigten Zuhörer nicht erkennbar ist. Wenn plötzlich Ruhe ist. Einfach so. Dann liege ich in dieser Totenstille und warte auf das Finale. Dann gehen meine Augen auf und sehen im Dunkeln umher, als ob ich dann besser hören könnte. Während diverse Horrorszenarien minutenlang meinen Geist durchwandern, schlafe ich dann meist irgendwann ein. Heute ist das anders. Es wird nicht passieren.


In der Befürchtung, dass mir aus Versehen vor Müdigkeit die Augen bis um nächsten Morgen zufallen könnten, stelle ich schon einmal meinen Wecker. Danach ziehe ich den Stecker des Radioweckers aus der Dose, um das Leuchten der roten Digitalzahlen zum Erlöschen zu bringen. Früher war dies der einzige Grund. Heute benötige ich die Steckdose, um mein Handy über Nacht zu laden. Die Steckdosen sind bis heute nicht mehr geworden, geht mir durch den Kopf. Irgendwas hinkt den Innovationen ja immer hinterher. Hier sind es die simpelsten Dinge, wie eine zusätzliche Steckdose im Holzfurnier.

Hier bin ich nun, in meinem ersehnten Bett, in meiner ersehnte Ruhe, in einem aufgeräumten Zimmer und sehne mich einfach nur nach meinem Zuhause. 
Nicht, dass dort jemand auf mich warten würde, außer dem unbezahlbaren Gefühl, zuhause zu sein. Ich zu sein, Mensch zu sein.

Ja, das ist es wohl. Ich sehne mich einfach nur nach mir.


Dienstag, 23. April 2013

Abgehoben



An diesem Wochenende bin ich dienstlich dazu verurteilt worden, meine wenige Freizeit in der Schweiz mit Geschäftspartnern zu verbringen.

In dem Wissen, dass dieses Wochenende kein privates werden würde, nahm ich mir vor, bis dahin etwas Zeit für mich einzuplanen. Ich wollte mir noch etwas Gutes tun. 

An meinem letzten Wochenende, zwischen bügeln, putzen und waschen, fiel mein Blick irgendwann auf die Uhr und ich hetzte zum Friseur.

Wellness fühlt sich anders an und sollte nicht mit Hektik beginnen. Der Zeitmangel hatte zur Folge, dass die wenige Verwöhnzeit, welche ich mir gönnen wollte, gänzlich flachfiel. Eine Dreiviertelstunde später trat ich also mit einem neuen Haarschnitt, ohne Kur und Kopfmassage und vollkommen unbefriedigt hinaus in den dunklen Februarabend. Es nieselte und so zog ich meine Kapuze auf und lief zum Auto. Ich ging also genauso, wie ich gekommen war - im Dauerlauf mit unordentlicher Frisur. Ein lediglich zweckdienlicher Besuch, bei dem ich nur Haare und Geld gelassen hatte.

Wegen der Reisevorbereitungen, die aus Zeitgründen hauptsächlich am Wochenende stattfinden mussten, fiel auch die Sauna am Folgetag aus. Krampfhaft versuchte ich, noch ein freies Zeitfenster für mich zu finden, bevor ich in das kommende verplante Wochenende starten würde, scheiterte aber mit meinem Vorhaben. Für mich blieb nichts übrig, denn Wellness braucht Zeit und innere Ruhe. Zeit, die nicht gestohlen oder an allen Ecken begrenzt ist. 


So machte ich mich also vier Tage später auf den Weg. Ich fuhr widerwillig und unentspannt, aber plangetreu zum Flughafen, checkte ein und stellte mich brav in der Schlange zur Sicherheitskontrolle an. Routinemäßig überprüfte ich meine Hosentaschen und zog schon während des Wartens meine Schuhe und meinen Gürtel aus. Die drei Passagiere vor mir hatten dies nicht getan und wurden nacheinander darum gebeten, diese Dinge abzulegen. Mir fehlte einfach die Geduld für diese Warterei und ich war in Gedanken schon dabei, einfach umzudrehen und nach Hause zu fahren. Heute strengte mich einfach alles an.


Trotz guten Zuredens eines lieben Freundes konnte ich an dieser Reise einfach nichts Positives für mich entdecken. Bedingt durch unendlich viele vorangegangene dunkle und arbeitsreiche Wochen war ich wirklich dringend auf meine Erholung am Wochenende angewiesen und trauerte dem vermeintlich verlorenen bereits schon vor Antritt der Reise hinterher. Hier, in der scheinbar endlosen Warteschlange. 


Eine gute halbe Stunde später bestieg ich erwartungskonform den Shuttlebus und dann das Flugzeug. Die Fensterplatzreservierung hatte wenigstens funktioniert, ein kleiner Lichtblick an diesem Tag. Ich schnallte mich an, schaltete mein Handy aus und ergab mich meinem Schicksal. Resigniert, gleichgültig und nach guterLaune suchend, die mir mein Spaßgesicht ermöglichen sollte, das ich bei Ankunft im besten Fall für die nächsten fünf Tage tragen sollte. Ich lauschte nur beiläufig dem Notfallplan der Stewardess und hatte nicht einmal Interesse an den Notausgängen. Ich würde sie schon finden, wenn ich sie bräuchte.

Die Turbinen starten. Der Kapitän hat eine sympathische Stimme. Irgendwie mag ich es, wenn sich der Pilot vor Flugbeginn zu Wort meldet. Es ist ein beruhigendes Gefühl,die Stimme des Mannes zu kennen, dem ich mein Schicksal für die nächsten Stunden in die Hände lege. 

Wir rollen los. Langsam. Lange. Sehr lange. Es ähnelt einer Sightseeingtour des Fuhlsbüttler Rollfeldes. „Fahren wir in die Schweiz oder fliegen wir auch noch ein Stück!?“, schreit etwas laut in mir. Scheinbar gehen aber nicht nur mir gerade die Pferde durch. Hinter mir heult unentwegt ein Kleinkind einer dreifachen Mutter, dem beim Abflug einfällt, dass es schon jetzt seine Tante derart schlimm vermisst, dass es keine Minute lebend ohne sie überstehen wird. Zumindest entnehme ich dies den gequiekten Lauten, die sich durch das Schniefen der tropfenden Nase ihren Weg bahnen. Das Kind sitzt neben einemJungen, der wie sich später herausstellt, ihr wenig älterer Bruder ist. Sonst ist niemand zu sehen. Ich lasse ungläubig den Kopf auf meine Brust sinken und denke all diese Sachen, die einem an so einem Tag in den Kopf kommen. Hört das denn nie auf? Warum muss sie direkt hinter mir sitzen? Warum heute? Warum ich? Hat das Kind denn keine Mutter?  

Und genau in dem Moment, als ich den letzten Satz zu Ende gedacht habe, vernehme ich die Stimme der Mutter, die derzeit einen weiteren ihrer Zöglinge an der Brust kleben hat und somit bewegungsunfähig ist. Ihr fällt gerade für alle Passagiere vernehmbar ein, dass der Beruhigungsteddy des schniefenden Etwas, welches mir mittlerweile rhythmisch in den Rücken tritt, mit dem Gepäck aufgegeben wurde und somit nicht erreichbar ist. Dies soll wohl gleichzeitig eine Entschuldigung an alle sein,die das Geheul wohl oder übel ertragen müssen. 

Sie tut mir leid. Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken und bewundere gleichzeitig die Souveränität, mit der sie alles und alle Kinder allein meistert. Früher hatte ich auch diese Nerven, denke ich. Wo sind sie hin? Ich muss sie auf meinem Weg verloren haben. Irgendwo zwischen Muttersein und Karriereleiter. Schade, ich würde sie gern wiederfinden. Doch ich komme zu dem Schluss, dass dieses Nervenkostüm wohl nur eine Mitgift für junge Mütter ist. Sie brauchen es auch am meisten. 

Ich erinnere mich dunkel. Ich habe damals viel mehr ertragen können, auch viel mehr Fremdbestimmung annehmen können. Ich hatte jahrelang kein Wochenende zur  Erholung. Und heute? Heute will ich nicht einmal mehr eines hergeben.

Diesem Gedanken folge ich eine Weile. Fremdbestimmung kann man nicht pauschalisieren, denke ich. Sie kann sich ganz unterschiedlich anfühlen und wir haben für jede Art auch ganz unterschiedliche Toleranz- und Kraftpotentiale zur Verfügung. Meine sind derzeit gerade ziemlich am Ende und ich verspreche mir, darüber nachzudenken, sobald ich einmal zur Ruhe komme. Jetzt hebe ich erst einmal ab. Es gibt tatsächlich noch ein Stück Wegstrecke, die wir fliegend hinter uns bringen. Beim Abheben kehrt nunu endlich auch hinter mir Ruhe ein.

Ich bin umgeben von Blau und Weiß, die Sonne blendet meine Augen und bringt nach all der Dunkelheit ein fast vergessenes Gefühl zu mir zurück. Unwillkürlich lächle ich, empfinde Zufriedenheit, Glück und eine Spur von Frohsinn. Auf der Wolkendecke, die aussieht wie frisch gefallener Schnee, folgt mir ein Regenbogen. Nein, kein Bogen, eher ein kreisförmiges Gebilde, welches in allen Spektralfarben erstrahlt.
Es könnte eine Reflexion der mir nahen, glänzenden Turbine sein, versuche ich eine Erklärung zu finden, höre aber schnell wieder damit auf. Meine Augen bleiben daran haften und ich erfreue mich der Glückshormone, die dadurch freigesetzt, meinen Körper durchfluten.  

Fasziniert bestaune ich Bergwipfel, die die Wolkendecke durchstoßen und mir bedeuten, dass unter mir die bekannte Welt noch existiert. Licht durchdringt mich bis in den letzten Winkel. Unter mir und der Wolkendecke erscheint langsam die Stadt. Geometrisch korrekt schiebt sich Zürich ins Blickfeld. Irgendwie langweilig, denke ich, aber auch beruhigend. Ordentlich. Dann mischen sich kindliche Gedanken hinein wie in einer bekannten Automobilwerbung. Ein See, ein gelbes Haus, ein Pool, ein sechseckiges Feld, ein Stadion, ein rotes Auto… Alles erscheint leicht und aus dem großen Ganzen werden viele kleine Teile. Jedes eine Aufmerksamkeit, einen Augenblick wert. 


So will ichwahrnehmen, so will ich leben. Jede Minute. Auch in Zeiten der Fremdbestimmung steht es uns frei, die Augen offen zu halten. Jeder Moment bietet uns die Möglichkeit zu sehen und unsere Seele zu bereichern mit all den Wundern um uns herum, wenn wir nur wachbleiben.

Mittwoch, 10. April 2013

A Beautiful Mind

Es war einer dieser grauen Tage. Vor einer Stunde hatte ich mich vom Sofa gequält und mir etwas widerwillig einen kleinen Spaziergang verordnet, sei es auch nur für eine halbe Stunde. 
 
Nun saß ich allein auf einer Parkbank, sah in den grauen Himmel und beobachtete nebenbei die wenigen spielenden Kinder, als ein Mann an mir vorbeiging. Er sah mich nicht an, sondern folgte einfach seinem Weg. Auch ich nahm ihn nicht so sehr war, dass ich ihm mehr meiner Aufmerksamkeit geschenkt hätte.

Während er also an mir vorbeischlenderte, hörte ich eine feine Stimme zu mir sprechen: „Hey, du traurige Seele. Dort, hinter der nächsten Ecke, sind wunderschöne Blumen! Die ersten Krokusse stecken ihre Köpfe durch den Schnee. Steh auf und schau sie dir an.“

Jetzt sah ich doch zu ihm auf, doch er ging unbeirrt weiter und drehte sich nicht zu mir um. Das konnte unmöglich seine Stimme gewesen sein. Sie war zart und sehr fein. In diesem Moment regte sich etwas in meinem Kopf. Es war, als würde sich etwas strecken und regen. Ich runzelte die Stirn und gleichzeitig wuchs dieser Gedanke in mir, der Gedanke aufzustehen und, so seltsam es auch sein mochte, dem Weg zu folgen, den er gekommen war und um die nächste Ecke zu gehen. Während ich meinen Mantel glatt strich und den Kragen aufstellte, ließ mich mein Verstand kurz den Kopf schütteln. Irgendetwas sagte mir, dass hier etwas ganz und gar nicht normal war. Dennoch machte ich mich auf den Weg, es war ja nicht weit.

Langsamen Schrittes ging ich neugierig die Wegbiegung entlang. Vor mir erstreckte sich ein langes, schneebedecktes Beet, welches von wunderschönen Frühblühern durchbrochen und fröhlich bunt gesprenkelt war. Es war umwerfend schön, diese frischen Farben eingehüllt vom blütenweißen Schnee zu betrachten. Ich stand eine ganze Weile davor, und ließ dieses Bild auf mich wirken. Die ersten Frühlingsboten waren endlich angekommen, hatten Schnee und Eis getrotzt und erheiterten meinen Geist auf zauberhafte Weise. Eine innere Freude überkam mich und ich entschied mich, meinen Weg in die andere Richtung fort zu setzen und einen Kaffee trinken zu gehen.

Im Café war es warm und roch nach Kaffee und frisch gebackenem Kuchen. Ich machte es mir bequem und gab meine Bestellung auf. "Doch ganz schön, so ein gemütlicher Sonntagnachmittag", dachte ich, als die leise Stimme erneut zu mir sprach: "Na, du scheinst sie dir angesehen zu haben."
Es war, als hätte ich sogar das Augenzwinkern hören können. Verwirrt sah ich mich um. Ich ließ meinen Blick ca. einen Meter hoch über den Boden streichen. Gerade so hoch, wie man die Größe eines Kindes  erwarten würde, das zu einem spricht. Doch es war nichts zu sehen. Nur ein Kleinkind saß in seinem Hochstuhl ein paar Tische weiter und drückte gerade seinen Löffel tief in den Sahnekuchen vor sich. Langsam wurde mir die Sache unheimlich. Ich war sicher, etwas vernommen zu haben. Nicht unbedingt gehört, aber in meinem Kopf formten sich die Worte und auch mein Kopf war es, der wortlos antwortete und sagte: "Ja, ich habe sie gesehen. Sie sind wunderschön und haben mir sehr gut getan."

Was war das? Wer sprach hier mit wem? Ich sah mich noch einmal um, dieses Mal etwas höher. Da erkannte ich ihn. Der Mann aus dem Park saß am Tisch schräg gegenüber und hielt mit geschlossenen Augen die Nase über seinen dampfenden Kaffee. Ein leises Lächeln umspielte dabei seine Lippen. Ich starrte ihn noch immer an, als er seine Augen öffnete und mich über den Tassenrand ansah.
Seine Augen lächelten mir zu. Irritiert durch seinen direkten Blick, spürte ich Wärme in mir aufsteigen, die sich ganz sicher in meinen Ohren manifestieren würde, wie ich es von etlichen vorangegangenen peinlich berührten Momenten in meinem Leben kannte. Aber ich sah nicht weg, sondern lauschte der Stimme, die in mir klang. "Schön, nicht wahr?" Ich nickte, lächelte zurück und sagte tonlos "Ja, sehr schön.

Dieser Moment wurde unterbrochen von der Kellnerin, die mir meinen Kaffee brachte. Gegen meine Gewohnheit hob ich die Tasse mit beiden kalten Händen an, schloss die Augen, genoß den warmen Dampf in meinem Gesicht und atmete tief den wunderbaren Duft ein. Es sprach: "Ist das nicht wunderbar? Die Wärme, der Geruch und die Zufriedenheit, die Du gerade verspürst?"

Nun blickte ich über meinen Tassenrand zu ihm hinüber. Ein fröhliches Grinsen zierte sein verfrorenes Gesicht und er nickte mir zustimmend zu. Kurz fühlte ich mich ertappt, doch das Gefühl wich schnell einem anderen, viel schöneren. Dem Gefühl des Erkanntwerdens. Des Sich-Erkennens und dem unbeschreiblichen Gefühl, wenn ein schöner Geist Deine Seele berührt.

Noch gefangen in diesem Gefühl, sah ich, wie er sein Geld auf den Tisch legte und seine Jacke anzog. Er ging an mir vorbei und ein Hauch von ihm streifte mich, als er mir kurz eine Hand auf die Schulter legte und sagte: "Hab noch einen schönen Tag und behalte ihn bei Dir, solange Du kannst."

Mittwoch, 3. April 2013

Completeness



















There are empty spaces in all of us.

When we start missing someone, it's not necessarily the person himself we miss, but rather the fact, that this person filled up some space in us and gave us the feeling to be a little bit more complete. 

                                  (c) Iris Kudelko

Du bist mein erster Gedanke



Welche Bedeutung hat mein erster Gedanke und welche mein letzter? 
Wie wichtig ist er tatsächlich? 

Wenn sich mein erster Gedanke am Morgen verändert, hat sich dann bereits etwas verändert? Oder ist es nur ein Zeichen, dass sich gerade etwas verändert? Vielleicht zeigt es mir auch nur, dass sich meine Aufmerksamkeit verlagert hat.

Aber warum? Und was bewirkt es? Fragen wir uns das? Viel wichtiger noch: Suchen wir darauf eine Antwort? Ich meine, wir tun es meistens nicht.

Wie so oft sehen wir nur die Zeichen an der Wand, versäumen aber, sie zu deuten. Wir hören uns nicht zu. Viel zu oft nehmen wir es nur hin, sitzen im Zug und verpassen gedankenverloren unsere Haltestelle. Nur im Leben ist es mit dem Umsteigen und Zurückfahren meist nicht so einfach. Wer das einmal versucht hat, stellt fest, dass die Haltestelle bereits wieder entfernt wurde.
 
Warum schwingen wir immer gleich die Füße aus dem Bett, anstatt einfach einmal kurz innezuhalten und zu sagen „Halt. Pause!“
Fang doch den nächsten flüchtigen Gedanken morgen früh einmal ein und sieh ihn Dir genau an.

Frage ihn, woher er kommt und wohin er mit Dir will.
Er hat Dir etwas zu erzählen, wenn Du ihn nur lässt. Deshalb kam er heute zu Dir.