Freitag, 14. Juni 2013

Feuerzauber


Umschlungen von zwei weichen Händen wird sie festgehalten, ruht auf dem Schoß eines Mannes, der im Garten ein paar Zweige verbrennt. 

Es ist Samstag und obwohl schon Frühling ist, ist es immer noch sehr kalt draußen. Dennoch hat er sich entschlossen, sich zu mir zu setzen und sich an meinen Flammen zu wärmen.
In der Hand hält er noch immer die Flasche mit Petroleum. 

Das ist nicht ungefährlich und so halte ich meine Flamme klein, um nicht versehentlich etwas zu entzünden. Immerhin hat er mich gerade erst lebendig gemacht. Und nicht nur das. Er sitzt bei mir und genießt meine Wärme und mein fröhliches Farbenspiel. Hin und wieder fächelt er mir Luft zu, auf den Punkt genau dann, wenn ich gerade beginne, kleiner zu werden.

Er könnte ins Haus gehen, denke ich. Es ist wirklich kein Wetter, um draußen zu sitzen. Aber er bleibt. Seine Augen suchen durch meinen bewegten Schein die Weite. Sein Geist wandert durch mich hindurch und dann an einen fernen Ort, den ich nicht kenne. Er spricht nicht darüber. Ich frage nicht danach.

Zwischendurch pustet er vorsichtig in meine Glut und die Funken spiegeln sich in seinen Augen, tanzen darin. Ich muss klein bleiben, darf nicht übermütig werden oder ihm zu nah entgegenkommen. Aus denselben Gründen wohl, wie er den Brennstoff nun zur Seite stellt, damit nichts Feuer fängt. Etwas gefährlich ist es schon, aber wir sind beide sehr achtsam und windstill ist es auch. 

Wir beherrschen das, denke ich gerade, als jemand in den Garten tritt. Sie verharrt kurz, betrachtet die Szene hier unter dem Baum und kommt auf uns zu. Harsche, abgehackte Satz- und Wortfetzen sind schon von Ferne zu hören, während sie sich nähert. Sie wirft die Arme in die Luft und spricht von Gefahr und Feuer, von Unvernunft und drinnen sei es wenigstens warm. Schließlich liefe im Haus die Heizung.
Dann nimmt sie seine Hand, eine Geste, die keinen Widerspruch duldet.So erwidert er dann auch nichts. Er liebt seinen Frieden und sie sieht seinen Zauber nicht. 
Also steht er auf und folgt ihr wortlos. Bevor er im Haus verschwindet, dreht er sich noch einmal flüchtig zu mir um. 

Meine Wärme wird vom Wind davongetragen, verwandelt sich irgendwann in Nichts, löst sich auf. Langsam geht mir der Brennstoff aus. Ich werde zusehends kleiner, ziehe mich in die Äste unter mir zurück und reduziere mich zur Glut. Es dämmert bereits.

Im Haus wird das Licht eingeschaltet. In einem anderen Zimmer flackert etwas durch den Raum. Kein Kamin. Ein kaltes Flackern. Es wird wohl der Fernseher sein. 

Zwei Finger spreizen hin und wieder die Lamellen der heruntergelassenen Jalousie, um einen kurzen Blick in den Garten zu werfen.

Zwei Augen schweifen kurz zu mir herüber. Ich bin noch da. Ein bisschen noch.Ich weiß nicht, ob er mich noch sehen kann. 

Geh ruhig schlafen, denke ich. Ich lösche von selbst mein Licht.

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