Mittwoch, 10. April 2013

A Beautiful Mind

Es war einer dieser grauen Tage. Vor einer Stunde hatte ich mich vom Sofa gequält und mir etwas widerwillig einen kleinen Spaziergang verordnet, sei es auch nur für eine halbe Stunde. 
 
Nun saß ich allein auf einer Parkbank, sah in den grauen Himmel und beobachtete nebenbei die wenigen spielenden Kinder, als ein Mann an mir vorbeiging. Er sah mich nicht an, sondern folgte einfach seinem Weg. Auch ich nahm ihn nicht so sehr war, dass ich ihm mehr meiner Aufmerksamkeit geschenkt hätte.

Während er also an mir vorbeischlenderte, hörte ich eine feine Stimme zu mir sprechen: „Hey, du traurige Seele. Dort, hinter der nächsten Ecke, sind wunderschöne Blumen! Die ersten Krokusse stecken ihre Köpfe durch den Schnee. Steh auf und schau sie dir an.“

Jetzt sah ich doch zu ihm auf, doch er ging unbeirrt weiter und drehte sich nicht zu mir um. Das konnte unmöglich seine Stimme gewesen sein. Sie war zart und sehr fein. In diesem Moment regte sich etwas in meinem Kopf. Es war, als würde sich etwas strecken und regen. Ich runzelte die Stirn und gleichzeitig wuchs dieser Gedanke in mir, der Gedanke aufzustehen und, so seltsam es auch sein mochte, dem Weg zu folgen, den er gekommen war und um die nächste Ecke zu gehen. Während ich meinen Mantel glatt strich und den Kragen aufstellte, ließ mich mein Verstand kurz den Kopf schütteln. Irgendetwas sagte mir, dass hier etwas ganz und gar nicht normal war. Dennoch machte ich mich auf den Weg, es war ja nicht weit.

Langsamen Schrittes ging ich neugierig die Wegbiegung entlang. Vor mir erstreckte sich ein langes, schneebedecktes Beet, welches von wunderschönen Frühblühern durchbrochen und fröhlich bunt gesprenkelt war. Es war umwerfend schön, diese frischen Farben eingehüllt vom blütenweißen Schnee zu betrachten. Ich stand eine ganze Weile davor, und ließ dieses Bild auf mich wirken. Die ersten Frühlingsboten waren endlich angekommen, hatten Schnee und Eis getrotzt und erheiterten meinen Geist auf zauberhafte Weise. Eine innere Freude überkam mich und ich entschied mich, meinen Weg in die andere Richtung fort zu setzen und einen Kaffee trinken zu gehen.

Im Café war es warm und roch nach Kaffee und frisch gebackenem Kuchen. Ich machte es mir bequem und gab meine Bestellung auf. "Doch ganz schön, so ein gemütlicher Sonntagnachmittag", dachte ich, als die leise Stimme erneut zu mir sprach: "Na, du scheinst sie dir angesehen zu haben."
Es war, als hätte ich sogar das Augenzwinkern hören können. Verwirrt sah ich mich um. Ich ließ meinen Blick ca. einen Meter hoch über den Boden streichen. Gerade so hoch, wie man die Größe eines Kindes  erwarten würde, das zu einem spricht. Doch es war nichts zu sehen. Nur ein Kleinkind saß in seinem Hochstuhl ein paar Tische weiter und drückte gerade seinen Löffel tief in den Sahnekuchen vor sich. Langsam wurde mir die Sache unheimlich. Ich war sicher, etwas vernommen zu haben. Nicht unbedingt gehört, aber in meinem Kopf formten sich die Worte und auch mein Kopf war es, der wortlos antwortete und sagte: "Ja, ich habe sie gesehen. Sie sind wunderschön und haben mir sehr gut getan."

Was war das? Wer sprach hier mit wem? Ich sah mich noch einmal um, dieses Mal etwas höher. Da erkannte ich ihn. Der Mann aus dem Park saß am Tisch schräg gegenüber und hielt mit geschlossenen Augen die Nase über seinen dampfenden Kaffee. Ein leises Lächeln umspielte dabei seine Lippen. Ich starrte ihn noch immer an, als er seine Augen öffnete und mich über den Tassenrand ansah.
Seine Augen lächelten mir zu. Irritiert durch seinen direkten Blick, spürte ich Wärme in mir aufsteigen, die sich ganz sicher in meinen Ohren manifestieren würde, wie ich es von etlichen vorangegangenen peinlich berührten Momenten in meinem Leben kannte. Aber ich sah nicht weg, sondern lauschte der Stimme, die in mir klang. "Schön, nicht wahr?" Ich nickte, lächelte zurück und sagte tonlos "Ja, sehr schön.

Dieser Moment wurde unterbrochen von der Kellnerin, die mir meinen Kaffee brachte. Gegen meine Gewohnheit hob ich die Tasse mit beiden kalten Händen an, schloss die Augen, genoß den warmen Dampf in meinem Gesicht und atmete tief den wunderbaren Duft ein. Es sprach: "Ist das nicht wunderbar? Die Wärme, der Geruch und die Zufriedenheit, die Du gerade verspürst?"

Nun blickte ich über meinen Tassenrand zu ihm hinüber. Ein fröhliches Grinsen zierte sein verfrorenes Gesicht und er nickte mir zustimmend zu. Kurz fühlte ich mich ertappt, doch das Gefühl wich schnell einem anderen, viel schöneren. Dem Gefühl des Erkanntwerdens. Des Sich-Erkennens und dem unbeschreiblichen Gefühl, wenn ein schöner Geist Deine Seele berührt.

Noch gefangen in diesem Gefühl, sah ich, wie er sein Geld auf den Tisch legte und seine Jacke anzog. Er ging an mir vorbei und ein Hauch von ihm streifte mich, als er mir kurz eine Hand auf die Schulter legte und sagte: "Hab noch einen schönen Tag und behalte ihn bei Dir, solange Du kannst."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen